The Great Commandment - 25th Anniversary (2012)
(30.09.2012) Alles begann wie so oft im Musikgeschäft der damaligen Zeit mit einer Demo Kassette. Eure Band existierte schon drei Jahre, als Ihr 1986 beim Radiosender HR3 mit einer eingereichten Demokassette in der Sendung "Sound aus dem Synthesizer" an einen Wettbewerb teilgenommen habt. Was geschah da genau?
Oliver: Ich war zu der Zeit eh damit beschäftigt Plattenfirmen anzuschreiben, bzw. hatte da auch schon einige Absagen. Ein Klassenkamerad, der im Sendegebiet des Hessischen Rundfunks lebte, machte mich auf die Sendung „Sounds aus dem Synthesizer“ aufmerksam, er erzählte "die spielen da so Musik wie Ihr sie macht". Also schickte ich wie immer unser Demotape und das entsprechende Anschreiben raus. Einen Demo Wettbewerb gab es meines Wissens damals nicht. Es war schlicht so, dass die Redaktion "Fade in Memory" aus unseren Songs selbst auswählte. Es verging einige Zeit und ich hatte das Einsenden des Tapes eigentlich schon vergessen, bis meine Mutter eines Abends ins Zimmer kam und sagte, da wäre jemand am Telefon, der unsere Musik im Radio gehört hat...
Heiko: Die Radiosendung spielte viele neue Bands, so auch die Musik der Frankfurter Band "Couleur Trois", die bei der Plattenfirma "Westside" unter Vertrag war. Einer der Mitglieder von "Couleur Trois" - Markus Gabler - nahm die besagte Sendung auf und spielte die Aufnahme von "Fade In Memory" dann auch dem Plattenlabel vor, die sich unsere Kontaktadresse über HR3 besorgten und uns dann kontaktierten. Ein paar Wochen später hatten wir unseren ersten Plattenvertrag in der Tasche! Bei unserem ersten Besuch bei "Westside" hatten wir schon ein erstes Demo von "Suddenly Went Away" dabei, welches kurz darauf die Grundlage für unsere erste Studiosession und den daraus hervorgehenden Song "The Great Commandment" werden sollte.
Wie kam es dazu, dass „Fade in Memory“ offensichtlich keine weitere Beachtung fand und schließlich ein anderer Song den Vorzug bekam?
Oliver: „Fade in Memory“ war ein Song unseres ersten Demotapes bestimmt schon älter als ein Jahr. Zum Zeitpunkt der Sendung fühlten wir uns aber musikalisch schon weiter. An dem Tag als wir zum ersten Mal Leuten einer Plattenfirma gegenüber saßen, hatten wir ein Tape mit einem neuen Song dabei an den wir fest glaubten. Unser Motto war: Wenn wir jemals im Leben eine Maxi aufnehmen könnten, dann sollte es zu diesem Zeitpunkt eben dieser Song sein - "Suddenly went away"!
Aus späterer Sicht ein Glücksfall, den richtigen Song für eine Single Veröffentlichung ausgewählt zu haben. Aber es war noch ein weiter Weg, von der Ur-Version, bis zur fertigen Single „The Great Commandment“. Welche Stationen und Studiosessions durchlief der Song, bis er fertig war?
Heiko: Die ursprüngliche Idee für "The Great Commandment" kam von Marcus. An die Arbeiten an der Demo Version kann ich mich aber leider nicht mehr erinnern. Zu dieser Zeit nahmen wir noch alles mit Kassette auf (Stereo und Vierspur Aufnahmen). Da die Technik nur bedingt speicherbar war, entstanden viele verschiedene Aufnahmen und Versionen. Die meisten hatten durch das ständige Abspielen im Proberaum, Auto, Walkmen oder was auch immer, nur eine kurze Lebensdauer.
Die Studio Ur-Version (Reinhören: TGC_STUDIO_UR-VERSION.MP3) nahmen wir zusammen mit dem Produzenten Axel Henninger in dessen "Dynaton Studio" in der Nähe von Darmstadt auf. Axel war zu dieser Zeit der Hausproduzent von "Westside" und war somit für alle Westside-Produktionen aus dieser Zeit verantwortlich. Die ersten Aufnahmen fanden im Herbst 1986 statt. Wir luden so gut wie alles unseres Equipments in unsere kleinen Autos und fuhren nach Darmstadt-Weiterstadt. Als Axel unsere Synthis und Maschinen sah - viele unserer Lieblingstücke galten schon damals als Vintage Equipment - musste er lachen und konnte sich nicht vorstellen, was wir mit diesem Equipment anstellen wollten. Ich glaube die erste Zusammenarbeit mit Axel und uns war etwas angespannt, was sich später und vor allem bei den Aufnahmen zu unserem Debutalbum "Voices & Images" legte. Viele der Veröffentlichungen von "Westside" waren Projekte, die hauptsächlich von Axel umgesetzt worden waren. Auf eine Band zu stoßen, die ziemlich genaue Vorstellungen von der Umsetzung Ihrer Songs hatte, war sicher ungewohnt für Ihn. Wir wiederum hatten bis zu diesem Zeitpunkt alles selbst gemacht. Eine gewisse Zeit, um sich zusammenzufinden, war also nötig. Die große Resonanz bei der Plattenfirma und Karin Wirthmann auf unsere ersten Aufnahmen für "The Great Commandment" hat sicher für eine bessere Stimmung beigetragen. Aus heutiger Sicht muss man aber ganz klar sagen, dass Axel maßgeblich am Sound unseres Klassikers beteiligt war.
Marcus: Wir waren im Sommer 1986 zusammen als Rucksacktouristen in Spanien unterwegs, doch die quälende Ungewissheit, wann wir endlich ins Studio dürfen, um die Aufnahmen zu "The Great Commandment" zu machen, trieben Oli und mich dann vorzeitig wieder nach Hause zurück.
Warum dauerte es eigentlich fast ein Jahr, bis Eure erste Single endlich veröffentlicht wurde?
Heiko: Ungefähr zur Zeit unserer ersten Studioaufnahme für "The Great Commandment" interessierte sich die Promoterin und Verlegerin Karin Wirthmann für eine Band, die bei "Westside" unter Vertrag war. Offensichtlich war diese Band aber schon vertraglich gebunden, und so erkundigte sich Karin nach anderen Bands im Hause "Westside". Die beiden Geschäftsführer erzählten Ihr von einer neuen Band, die sie gerade unter Vertrag genommen hatten und drückten Ihr eine Vorabversion von "The Great Commandment" in die Hände. Karin war gleich Feuer und Flamme und wollte unbedingt mit uns arbeiten. Sie erkannte das Potential von "The Great Commnandment" und empfiehl "Westside" sich für unsere Single eine größere Plattenfirma als Partner zu suchen. Alsbald zeigte das Hamburger Label "Metronome" Interesse und übernahm die Federführung für die Veröffentlichung. Für uns war das ein großer Glücksfall, auch wenn dies erst 2 Jahre später sichtbar werden sollte, nämlich als es zu größeren Schwierigkeiten zwischen "Westside" und uns kommen sollte.
Nun war also "Metronome" mit an Bord. Mit unserer eigentlichen Ur-Version waren sie noch nicht zufrieden und schlugen vor, dass wir das Ganze nochmals mit Axel überarbeiten sollten. Aus heutiger Sicht war dies eine richtige Entscheidung, was wir aber zu der damaligen Zeit nur schwer einschätzen konnten. Die Entstehung der finalen Version war mühselig und aufreibend. Zudem wollte "Metronome" unbedingt eine TV-Sendung zur Veröffentlichung der Single, was leider sehr lange dauerte. Insgesamt verging zwischen der ersten Aufnahme und der Veröffentlichung fast 1 Jahr. Während dieser Zeit hatten wir oft die Befürchtung, dass die ganze Sache nie stattfinden würde und dachten oft über ein Weitermachen auch ohne Plattenvertrag nach. Metronome schaffte es dann, uns zum Start von "The Great Commandment" einen Auftritt in der Sendung „Spruchreif“ zu besorgen.
Oliver: Ich kann mich noch an eine laute Diskussion im Studio bei Axel mit den Leuten der Plattenfirma erinnern. Wir waren durch das ewige Warten nervlich schon ziemlich angegriffen und es fielen Sätze wie: "Ist uns scheißegal, was ihr wollt - dann spielen wir eben lieber wieder im Jugendhaus - so lassen wir uns nicht behandeln…" Im Studio selbst war gerade ein Amerikaner und machte mit Axel Gesangsaufnahmen für eine andere Produktion. Der Amerikaner konnte die aufgebrachte Stimmung nicht nachvollziehen, denn er hatte den Song zuvor gehört und sprach zu uns: "Hey Guys the song is amazing, this will be a hit in America." Wir rollten innerlich die Augen und dachten "Ja sicher…Amerika"
Wer entwarf das Single Cover und was stellt es dar? Gab es seitens der Plattenfirma vorgaben, wie es auszusehen hat?
Heiko: Das Cover enthält eine Fotografie aus einem Kalender des Siebdruck-Künstlers Franz Wagner, bei dem ich 1983 ein Praktikum machte. Auf der Suche nach einem interessanten Cover fiel uns dieser Kalender wieder ein, so das Oli und ich uns an die Arbeit machten. Wir kamen ja beide aus der Berufsrichtung Druck, Grafik und Design. Gestaltung war von Anfang an ein wichtiges Element für Camouflage und so war es uns sehr wichtig dies auch in Zukunft weiterzuführen. Anfangs gab es zwar Diskussionen mit den Plattenfirmen wegen des fehlenden, damals obligatorischen, Band-Fotos auf dem Cover. Glücklicherweise hatten wir aber auch starke Unterstützung, vor allem von der "Metronome" Grafikchefin Susanne Gassner, so dass wir uns mit unseren Ideen durchsetzen konnten. Lediglich die französische Plattenfirma wollte nicht auf ein Foto der Band auf dem Single-Cover verzichten.
Habt Ihr noch Erinnerungen an den Dreh des Videoclips? Wo wurde er eigentlich gedreht und von wem stammt die Idee zu der Handlung?
Heiko: Ich denke nach 25 Jahren wird es Zeit, ein kleines Geheimnis zu lüften. Das veröffentlichte Video zu TGC war nicht das erste was wir für diesen Song gedreht haben! Wenn man es genau nimmt, war es sogar schon der dritte Anlauf. Kurz vor der Veröffentlichung unserer Debut-Single organisierte Metronome eine Fotosession für uns. Es sollten Fotos für das Cover und die Presse gemacht werden. Gleichzeitig wurde ein uns unbekannter Regisseur engagiert, der während der Fotosession Videoaufnahmen für eine Präsentation von Metronome machen sollte. Das ganze artete dann zu einer Art Videoclip aus, in dem wir uns singend vor der Fotokulisse mit unseren Song präsentierten - natürlich per Playback, was wir damals sehr merkwürdig fanden und uns entsprechend unsicher fühlten. Der Regisseur war übrigens Rainer Thieding, mit dem wir danach noch sehr viel gemeinsam erleben sollten.
Als klar wurde das "The Great Commandment" ein Erfolg werden würde, wollte unsere Plattenfirma einen richtigen Videoclip mit uns produzieren. Es wurde eine Regisseurin engagiert, die irgendetwas mit dem NDR zu tun hatte. An das genaue Script kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es sollte ein Video mit "Tiefgang" werden. Um es kurz zu machen: das Video wurde zwar fertig gestellt, aber nie veröffentlicht, denn leider mussten Metronome und wir als Band feststellen, dass die Regisseurin mit Ihrem Konzept für unseren Videoclip grandios gescheitert war. Wir fühlten uns nicht wohl bei dem Gedanken, dass dieser Clip uns als Band repräsentieren sollte. Für die Promotion in Deutschland brauchten wir dann aber auch gar kein Video mehr. Die Single war ein voller Erfolg, und ein weiteres Video wäre für den deutschen Markt schlichtweg zu spät gekommen.
Anders stellte sich das aber mit unserer Veröffentlichung in den USA dar. Nachdem viele sogenannten "College Radios" (also eher alternative Radioanstalten) "The Great Commandment" immer öfter spielten und US-Plattenläden wie verrückt unsere Maxi-Single als Import verkauften, wurde die Firma "Atlantic Records" auf unsere Band aufmerksam. Sie nahmen uns für den amerikanischen Markt und Asien unter Vertrag und planten die Single im Dezember 1987 zu veröffentlichen. Sie bestanden allerdings auf einen Videoclip mit dem sie MTV ins Boot holen wollten. Daraufhin wurde ein neues Video in Angriff genommen. Bei der Frage nach dem passenden Regisseur kam uns der Regisseur Rainer Thieding wieder in den Sinn, der uns mit seinem Konzept und einer Filmsprache, die sich stark an Filme wie "Brazil" anlehnen sollte, überzeugte. (Es gab auch andere Konzepte: Ein Szenario sah uns als Soldaten die in Camouflage-Tarnanzügen aus Hubschrauber springen sollten ..) Auf jeden Fall war das neue Video ein großer Glücksfall für uns, denn MTV USA spielte daraufhin "The Great Commandment" in der "Heavy Rotation" und zwar über die gesamten Weihnachtstage 1987 hinweg.
An die Dreharbeiten kann ich mich noch gut erinnern. Sie fanden in einer ungenutzten Lagerhalle in der Nähe von Hamburg statt. Genauer gesagt - im Dorf Kröppelshagen! (Ein paar Jahre später haben wir in dieser Fabrik für eine gewisse Zeit sogar unser komplettes Tonstudio installiert - siehe "Spice Crackers" Pre-Production). Die Lagerhalle war Teil einer stillgelegten Fabrik, die den Eltern von Rainer Thieding gehörte. Da Rainer auch der Bruder unseres langjährigen Gitarristen und Mitstreiters Ingo Ito ist, stellt dieser Ort ein wichtiges Puzzle in der Geschichte unserer Band dar. Überhaupt waren an den Dreharbeiten viele Menschen beteiligt, die uns über Jahre hinweg bei vielen anderen Videoclips begleiten sollten.
Also stimmt das Gerücht, dass es noch einen zweiten Videoclip gibt, der noch niemals gezeigt wurde?
Ja, wie schon oben erwähnt gibt es einen solchen Clip. Wir nennen ihn den „TGC – The Lost Video Clip“. Aus Anlass des Jubiläums und vor allem als Dankeschön an unsere langjährigen Fans, haben wir beschlossen das Video auf unsere Webseite zu packen. Viel Spaß damit!
Es folgten viele Fernsehauftritte. Der erste in der ARD Sendung „Spruchreif“, dann u.a. Formel Eins und ZDF Hitparade. Wie habt Ihr diese erlebt?
Oliver: Ruckzuck hatten wir aufgrund des Single Erfolges Eintritt in die deutsche Musikfernsehwelt und das zu einer Zeit als Privatfernsehen eben begann. Karin & die Metronome haben uns unglaublich viel Fernsehauftritte besorgt. Ich würde sagen der Eindruck war beides: Faszination aber auch Ernüchterung. Faszination, weil man nun in Sendungen aufgetreten ist, die man in seinen Träumen auch unbedingt mal machen wollte. Ernüchterung über soviel Fassade. Später entstand sogar Langeweile, denn Dreieinhalb Minuten Fernsehen bedeuteten oft 2 Tage irgendwo in einem nüchternem Backstage Raum für Proben abzuhängen. Ein Grund weshalb sich Heiko & Marcus später für diese Gelegenheiten eine Playstation zulegten.
Heiko: Aus heutiger Sicht ist die Wirkung unseres ersten Fernsehauftritts sensationell. Zum Start unserer Single hatten wir wirklich nur diesen einen Auftritt, der Sonntag morgens um 11:00 in der ARD ausgestrahlt wurde – Live! Hinzu kam noch eine Radio-Promotion Reise und ein paar Anzeigen. Das wir damit in die Top 20 einstiegen ist immer noch eine Meisterleistung.
Was für ein Gefühl war das, Eueren eigenen Song im Radio zu hören?
Oliver: Ehrlich gesagt kann ich mich nicht mehr dran erinnern. Sicher gibt es keinen Titel, den ich in meinem Leben öfter gehört habe, als diesen, aber ich freu mich immer noch, wenn ich ihm irgendwo begegne. Am liebsten begegne ich unseren Songs an der Ampel und sie laufen im Auto nebenan… Es lässt einen innerlich Grinsen.
Heiko: Nach der Veröffentlichung von "The Great Commandment" hatten wir einige Interviews und Termine bei Radioanstalten, um uns und unsere Single vorzustellen. An einen dieser Besuche kann ich mich besonders gut erinnern. Wir waren in Hamburg, um beim NDR ein Interview zu geben, als wir kurz vor der Sendung erfuhren, das "The Great Commandment" soeben auf Platz 14 der Deutschen Singlecharts eingestiegen war. Ein Riesenerfolg für ein Newcomer Band! Wir haben uns natürlich riesig gefreut und lagen uns in den Armen - was dann auch ein Redakteur von NDR mitbekommen hat. Dies führte dann zu seiner Idee, dass wir ein wenig später beim Live-Interview das Ganze nachspielen sollten. Unerfahren wie wir waren haben wir eingewilligt! So kam es das der Moderator uns während des Interviews plötzlich die "brandneue" Information über unsere erste Charts-Platzierung mitteilte. Wir haben uns redlich bemüht, aber die gespielte Freude war natürlich nur eine billige Kopie unserer Überraschung vor der Sendung - was man sicher auch an unseren Stimmen heraushören konnte. So war der Abend gleichzeitig ein tolles Erlebnis, aber auch eine unserer ersten Lehrstunden in dem Umgang mit den Medien. Als wir im Auto das NDR-Gelände verließen, schalteten wir das Radio ein. "Wonderful Life" von Black wurde gespielt - einen passenderen Titel könnte es kaum geben."
Wurdet Ihr vom Erfolg der Single überrascht, schließlich wart Ihr noch in der Schul- und Berufsausbildung? Wie geht man damit um?
Heiko: Da ich kurz vor der Veröffentlichung von "The Great Commandment" meine Berufsausbildung abgeschlossen hatte, nahm ich mir vor, es eine Weile voll auf die Musik zu setzen. Um Geld zu verdienen, arbeitete ich parallel noch in verschiedenen Fabriken. Nachdem unsere Single ein großer Erfolg wurde und die Plattenfirma unbedingt ein Album mit uns machen wollte, konnte ich mich dann voll und ganz auf unsere Band konzentrieren. Leider war das mit Oli und Marcus damals wegen ihrer Ausbildung und Schule nicht möglich. So hatten wir als Band oft nur die Wochenenden für gemeinsame Aufnahmen im Studio. Unter der Woche arbeitete ich oft mit Axel Henninger alleine an "Voices & Images".
Marcus: es war eine sehr seltsame Zeit für mich. Ich ging auf ein Gymnasium mit 2.500 Mitschülerinnen und Mitschülern - eine Nummer unter vielen. Dann kam quasi über Nacht der Erfolg und Du wurdest angesehen wie ein Außerirdischer. Für jemand, der so etwas nicht kennt, ist es schwer nachzuvollziehen, aber es war einfach verrückt - Montag bis Donnerstag Klausuren schreiben - Freitag bis kommenden Montag dann mit Sondererlaubnis vom Rektor der "Star", der von allen um sich herum gepimpert wird. Ich denke ohne die Anderen wäre man nur noch auf dem Höhenflug gewesen...!
Hat es Euch gestört, dass einige sagten, Ihr hört Euch wie Depeche Mode an? Man kann es ja auch als Kompliment verstehen.
Heiko: Sicher hat es uns genervt! Aber nach einer Weile haben wir auch damit unseren Frieden geschlossen. Es gibt sicher schlimmeres als mit einer so großartigen Band verglichen zu werden. Besonders gefreut hat uns aber auch eine kleine Geschichte, die uns von einem Interview mit Martin Gore bei einem US Radiosender berichtet wurde: Anscheinend erzählte er, dass unsere Single TGC stark geholfen hätte den Bekanntheitsgrad von "Depeche Mode" in den Staaten zu fördern. Viele US Hörer, die TGC im Radio hörten, gingen wohl davon aus, dass es sich dabei um einen Song von "Depeche Mode" handeln müsste. Darauf hin stiegen die Verkäufe ihres damaligen aktuellen Albums frappierend an! (Bisher lehnte die Band eine Umsatzbeteiligung an uns aber ab ;-) )
Später folgten weltweite Veröffentlichungen von TGC. Habt Ihr dies bewusst mitbekommen? Gab es im Ausland Fernsehauftritte, Promotionauftritte und Informationen Euerer Plattenfirma zu den Veröffentlichungen?
Oliver: Ich denke, dass wir trotz Schule & Ausbildung viel unterwegs waren. Es gab Fernsehauftritte in mehreren Ländern und so ungreifbare Nachrichten wie Platz 1 in Taiwan oder auch Singapur. Leider hat uns die Metronome keine Promotour für Südostasien auf die Beine gestellt. Überhaupt haben wir recht schnell die Übersicht über den Veröffentlichungs-Status verloren.
Marcus: Wir waren in ganz Europa und etwas später auch in den USA unterwegs - 3 junge Schwaben erobern die Welt. Doch wie es nun einmal so ist, erst als wir in der Bildzeitung waren, hatten wir auch für unsere Großeltern Erfolg.
Nach 25 Jahren wird TGC immer noch im Radio gespielt und löst immer noch Begeisterung auf Partys und vor allem bei Eueren Konzerten aus. Hättet Ihr Euch das am Anfang der Veröffentlichung vorstellen können?
Oliver: Nein, wie gesagt war unser damaliges Ziel überhaupt mal eine Platte zu machen. Dass wir nun 30 Jahre später auf so eine Geschichte zurückblicken, kann man sich nicht vorstellen.
Marcus: Es war immer unser Traum, einmal die Musik zu machen, die später bei Menschen Erinnerungen hervorruft, oder Glücksgefühle erzeugt. Zu wissen, dass wir das erreicht haben, ist für uns nach wie vor etwas ganz Besonderes!
Heiko: Über die Frage warum ein bestimmter Song größeren Erfolg als ein anderer hat, haben wir uns schon oft den Kopf zerbrochen. Sicher gibt es erklärbare Unterschiede oder Merkmale. Ich bin mir aber sicher, dass der größte Anteil an einem solchen Erfolg das Glück hat. Manchmal stimmt einfach alles – der Zeitpunkt, die Leute, der Sound. Trotz aller Erfahrungen, die wir seit unseren Anfängen gemacht haben, ist der Anfangspunkt für unsere Songs immer der gleiche geblieben. Uns selbst muss es gefallen – alles andere können wir nicht beeinflussen.